Marlene Mortler, Mittelfranken und Unterfranken • Ausgabe Nummer 124 - Dezember 2021


Tokio-Gipfel "Ernährung für Wachstum" - Bekämpfung der weltweiten Unterernährung und Hungerkrise

Das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht. Essen muss verfügbar, reichhaltig, zugänglich und bezahlbar für alle sein. Kein Land ist bis jetzt auf dem Weg, um die 17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung, vor allem die Welternährungsziele bis 2025, zu erreichen. Durch die Corona-Krise hat sich die Zahl der Menschen, die mit akuter Nahrungsmittelunsicherheit konfrontiert sind, von 135 Millionen in 2019 auf 256 Millionen Menschen in 2020 beinahe verdoppelt. Frauen, Kinder und junge Frauen in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen sind besonders betroffen. Durch Mikronährstoffmangel bleiben die Betroffenen in einem Kreis der Armut gefangen - durch den Mangel entstehen kognitive Defizite und Probleme beim Lernen, welche im späteren Leben zu einem geringeren Einkommen führen.

Der Gipfel "Ernährung für Wachstum" ("Nutrition for Growth" - N4G), der am 7. und 8. Dezember in Tokio stattfand, konzentrierte sich auf die Verbesserung der Ernährung durch eine flächendeckende Gesundheitsversorgung, die Umgestaltung der Nahrungsmittelsysteme und eine größere Widerstandsfähigkeit in fragilen und konfliktbetroffenen Staaten. Der Gipfel betonte auch die Bedeutung von Finanzierung und starken Datensystemen für die Stärkung der Programmgestaltung, -umsetzung und -verantwortung. Das Gipfeltreffen war der Höhepunkt des Aktions-jahres "Ernährung für Wachstum" - einer weltweiten Initiative, die Regierungen, Geber, Unternehmen und UN-Organisationen zusammenbringen soll, um Fortschritte bei der Bekämpfung der Unterernährung zu erzielen.

Staatliche und private Geber haben auf dem Tokioter Gipfel "Ernährung für Wachstum" mehr als 27 Milliarden US-Dollar zugesagt, um die weltweite Unterernährungs- und Hungerkrise zu bekämpfen. Auch 45 Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen haben starke politische und finanzielle Zusagen gemacht. Diese Zusagen zeigen, dass die Länder eine Führungsrolle übernehmen und der Ernährung zu einem entscheidenden Zeitpunkt Vorrang einräumen, da die Finanzmittel begrenzt sind und die Unterernährungsraten aufgrund der anhaltenden weltweiten COVID-19-Pandemie steigen.

Auf der Veranstaltung sagte Japan mehr als 2,8 Milliarden US-Dollar zu, um weltweit ernährungsbezogene Hilfe zu leisten. Die Vereinigten Staaten versprachen 11 Milliarden US-Dollar über einen Zeitraum von drei Jahren und die Afrikanische Entwicklungsbank sagte 1,35 Milliarden US-Dollar über einen Zeitraum von sechs Jahren zu. Auch die UN-Organisationen gingen auf dem Gipfel neue Verpflichtungen ein. Bis 2025 will UNICEF jährlich mindestens 500 Millionen Kinder, Jugendliche und Frauen mit Programmen zur Verhinderung von Unterernährung, Auszehrung, Mikronährstoffmangel, übergewicht und Fettleibigkeit erreichen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich verpflichtet, einen globalen Aktionsplan zur Verhütung und Behandlung von Anämie bei Frauen und Kindern zu entwickeln und die Fortschritte bei der Verringerung der Anämie bei Frauen im reproduktiven Alter um 50 Prozent bis 2030 zu beschleunigen. Das Welternährungsprogramm verpflichtete sich, den Anteil der Begünstigten seiner Programme, die sich gesund ernähren, bis 2025 auf 80 Prozent zu erhöhen. Neben anderen Prioritäten werden diese Investitionen dazu beitragen, die Ernährung in die allgemeine Gesundheits-versorgung einzubeziehen und nachhaltigere und nahrhaftere Nahrungsmittelsysteme zu schaffen.

Darüber hinaus gaben 44 zivilgesellschaftliche Organisationen aus 26 Ländern eine Reihe finanzieller und programmatischer Zusagen ab, die in erster Linie darauf abzielen, die Unterernährungsrate in gefährdeten Bevölkerungsgruppen durch verbesserte Ernährungsdienstleistungen, bessere Ernährung und stärkere Sozialschutz-leistungen zu senken. Diese Akteure verpflichteten sich, rund 1 Milliarde US-Dollar in vorrangige Maßnahmen zu investieren. Mehr als ein Dutzend Unternehmen des Privatsektors gaben auf der Veranstaltung Zusagen ab, darunter Lebensmittelunternehmen, die versprachen, die Nährstoffqualität ihrer Produkte zu verbessern, zu nachhaltigeren Lebensmittelsystemen beizutragen und die Qualität der Ernährung ihrer Mitarbeiter zu verbessern. Unternehmen aus dem Non-Food-Bereich verpflichteten sich, verbesserte landwirtschaftliche Verfahren und die Qualität der Ernährung ihrer Mitarbeiter zu unterstützen, indem sie gesunde und nachhaltige Mahlzeiten anbieten und sich einschlägigen globalen Allianzen anschließen.

Die Europäische Union sagte 2,8 Milliarden US-Dollar über einen Zeitraum von drei Jahren zu. Europa hat sich verpflichtet, alle Formen der Mangelernährung zu bekämpfen, und unterstützt einen sektorenübergreifenden Ansatz zur Verbesserung der Ernährungssituation durch die Kombination von Maßnahmen aus verschiedenen Sektoren, darunter Landwirtschaft, Gesundheit, Wasser, Sanitärversorgung, Hygiene und Bildung.

Eine ausgewogene Ernährung ist die absolute Grundlage für unser Leben und prägt vor allem die Entwicklung von Kindern. Ausgewogen ernährte Kinder sind besser in der Lage zu wachsen, zu lernen und an ihren Gemeinschaften teilzunehmen. Sie sind auch widerstandsfähiger in Krisenzeiten. Dennoch erhalten heute viele Kinder nicht die Nahrung, die sie zum überleben und Gedeihen brauchen. Mindestens eines von drei Kindern unter 5 Jahren ist von Fehlernährung in ihren sichtbarsten Formen betroffen: Untergewicht, Mangelernährung oder übergewicht. Die COVID-19-Pandemie hat die bereits bestehende Krise der Unterernährung von Kindern verschärft, die Existenzgrundlage von Familien bedroht, die Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von nahrhaften und sicheren Nahrungsmitteln beeinträchtigt. Mehr als 140 Millionen Kinder leiden an Unterentwicklung, und Unterernährung gilt als Ursache für fast die Hälfte der Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren. Die Pandemie wird wahrscheinlich dazu führen, dass 13,6 Millionen weitere Kinder an Auszehrung leiden.

Die auf dem Gipfel eingegangenen Verpflichtungen stellen zwar einen bedeutenden Schritt nach vorn dar, reichen also bei weitem nicht aus, um die Unterernährung zu beenden. Während der Schlusssitzung des Gipfels in Tokio gab der französische Minister für Europa und Auswärtige Angelegenheiten, Jean-Yves Le Drian, die Zusage Frankreichs, den nächsten Gipfel "Ernährung für Wachstum" im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen in Paris im Jahr 2024 auszurichten. Das nächste Gipfeltreffen wird die Gelegenheit bieten, die Fortschritte zu überprüfen und Rechenschaft über die in dieser Woche eingegangenen Verpflichtungen abzulegen - und neue Verpflichtungen zur Bekämpfung der Unterernährung in den nächsten fünf Jahren der Ziele für nachhaltige Entwicklung einzugehen.


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