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Markus Ferber, Schwaben • Ausgabe Nummer 125 - Januar 2022 Reform der EU-Schuldenregeln: Stabilität in den Mittelpunkt nehmen!Die Konjunkturprogramme, die zur Bekämpfung der Corona-Krise verabschiedet wurden, haben die Staatsverschuldung in ganz Europa in die Höhe schnellen lassen. In der Eurozone lag die Staatsverschuldung 2021 im Schnitt bei 100% des Bruttoinlandsprodukts, in vielen Mitgliedstaaten sogar noch darüber. Um auf die wirtschaftlichen Begleiterscheinungen der Corona-Pandemie angemessen reagieren zu können, wurden die europäischen Schuldenregeln (der so genannte Stabilitäts- und Wachstumspakt) in den Jahren 2020 und 2021 vorübergehend ausgesetzt und sollen erst ab 2023 wieder greifen. Für die Finanzstabilität in der EU und damit die Stabilität der gemeinsamen Währung ist die hohe Staatsverschuldung ein Problem. In der Zwischenzeit hat die Europäische Kommission eine Konsultation zu einer möglichen Anpassung des Stabilitäts- und Wachstumspakts gestartet. Grundsätzlich gibt es beim Stabilitäts- und Wachstumspakt tatsächlich einigen Verbesserungsbedarf. Das Regelwerk ist inzwischen auf mehr als 100 Seiten Länge angeschwollen, enthält zahllose Ausnahmen und Spezialregelungen und stützt sich an vielen Stellen auf Schätzungen statt auf klar beobachtbare Kennziffern. Auch beim Vollzug gibt es Verbesserungsbedarf: Zwar gab es auch in den vergangenen Jahren schon regelmäßig Streit über die Auslegung der Schuldenregeln. Am Ende des Tages hat die Europäische Kommission, die immerhin als Hüterin der Verträge agieren soll, aber noch nie Sanktionen gegen etwaige Defizitsünder initiiert. Entsprechend stieg die Staatsverschuldung in vielen EU-Mitgliedstaaten selbst in wirtschaftlich guten Zeiten stetig an. Von den Referenzwerten aus den europäischen Verträgen (Staatsverschuldung von maximal 60% des Bruttoinlandsprodukts und eine Neuverschuldung von maximal 3% des Bruttoinlandsprodukts) waren wir in den vergangenen Jahren leider sehr oft entfernt. Die grundsätzliche Einschätzung, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt einer überarbeitung bedarf, teile ich. Viele der Ideen, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden, sehe ich aber mit großer Sorge. Insbesondere der italienische Premierminister Mario Draghi und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron drängen auf eine Lockerung der europäischen Schuldenregeln. Dabei verkennen sie, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die Italien und Frankreich in den letzten Jahren geplagt haben, nicht auf ein zu enges Korsett aus Europa zurückzuführen sind, sondern auf hausgemachte Probleme. Wichtige Strukturreformen wurden in diesen beiden Mitgliedstaaten über Jahrzehnte verschlafen, was immer mehr an Wettbewerbsfähigkeit gekostet hat. An diesen Problemen würden auch laxere europäische Schuldenregeln rein gar nichts ändern. Vorschläge für eine Lockerung des Stabilitäts- und Wachstumspakts halte ich für brandgefährlich, denn das derzeitig hohe Verschuldungsniveau ist nur so lange nachhaltig, wie die Europäische Zentralbank die Zinsen niedrig hält und selbst als Käufer von Staatsanleihen an den Sekundärmärkten agiert. Wenn die EZB aus der ultralockeren Geldpolitik aussteigt, was angesichts des steigenden Inflationsdrucks dringend geboten wäre, werden auch die Refinanzierungskosten vieler Mitgliedstaaten spürbar steigen. Wohin das im schlimmsten Fall führen kann, haben wir vor einigen Jahren in Griechenland gesehen. Diese Erfahrung darf sich keinesfalls wiederholen und deswegen brauchen wir nun die Trendwende bei der Staatsverschuldung. Es wird in den kommenden Wochen nun ganz stark darauf ankommen, dass Deutschland der Stabilitätsanker in der EU bleibt und den Vorstößen aus Frankreich und Italien etwas entgegensetzt. Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesfinanzminister Christian Lindner waren da bisher zu zaghaft. Es gibt durchaus gute Argumente für diese Position. Deutschland hat nach der Finanzkrise die Staatsverschuldung binnen zehn Jahren um zwanzig Prozentpunkte reduziert. Das zeigt: Hohe Staatsverschuldung ist nicht gottgegeben. Man kann den Trend auch umkehren, wenn man nur will. Ich werde im Europäischen Parlament jedenfalls alles daran setzen, dass die überarbeitung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes auch tatsächlich stabilitätsorientiert ausfällt. |
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