Markus Ferber, Schwaben • Ausgabe Nummer 153 - April 2024


Die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts:
Rückkehr zur Haushaltsdisziplin?

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist ein wesentlicher Bestandteil der wirtschaftspolitischen Steuerung in der Europäischen Union. Er dient dazu, für solide öffentliche Finanzen zu sorgen und damit die Wirtschafts- und Währungsunion auf ein stabiles Fundament zu stellen. Die Finanz- und Staatsschuldenkrise hat gezeigt, wohin eine leichtfertige Haushaltspolitik führen kann. Im Lichte ebenjener Krise wurde der Stabilitäts- und Wachstumspakt im Jahr 2011 einer grundsätzlichen Überarbeitung unterzogen, im Rahmen derer insbesondere das Instrument der haushaltspolitischen Überwachung weiter gestärkt wurde.

In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass auch der vor über einem Jahrzehnt reformierte Stabilitäts- und Wachstumspakt die hochgesteckten Erwartungen an ihn nicht erfüllen konnte. Auf der einen Seite war der Stabilitäts- und Wachstumspakt immer wieder Auslöser heftigen Streits zwischen Mitgliedstaaten und Europäischer Kommission. Mitgliedstaaten fühlten sich in ihren haushaltspolitischen Spielräumen eingeengt und kritisierten eine arbiträre Regelauslegung. Auf der anderen Seite hat der Stabilitäts- und Wachstumspakt in vielen Mitgliedstaaten den Aufbau einer besorgniserregend hohen Staatsverschuldung nicht verhindern können, was sicherlich auch am mangelnden Vollzug durch die Europäische Kommission lag. Trotz unzähliger Verstöße gegen die Schuldenregeln gab es niemals Sanktionen.

Nachdem durch Corona- und Energiekrisen die Staatsverschuldung in vielen Mitgliedstaaten noch einen ordentlichen Schritt nach oben gemacht hat, war klar, dass das alte Regelwerk einer Generalüberholung unterzogen werden muss. Die vorgeschriebenen Abbaupfade waren schlichtweg nicht mehr realistisch und die Defizite des Regelwerks offenkundig. Eine Reform war auch angesichts des geänderten Zinsumfelds unabdingbar geworden. Nachdem die alten EU-Schuldenregeln im Zuge der Covid-Krise sogar zeitweise ausgesetzt wurden, hat das Europäische Parlament in dieser Woche nun endlich die dringend benötigte Reform auf den Weg gebracht.

Bei der Reform der Schuldenregeln war vor allem wichtig, dass der Prozess transparenter wird, auf einer klar nachvollziehbaren Datengrundlage beruht, Schlupflöcher geschlossen werden und keine neuen Ausnahmetatbestände geschaffen werden. Gleichzeitig muss auch die Durchsetzung des neuen Regelwerks verbessert werden, denn daran hat es in der Vergangenheit zu oft gehapert.

Bereits die Beratungen im Europäischen Parlament hatten sich als ausgesprochen schwierig herausgestellt - nicht zuletzt, weil Sozialdemokraten und insbesondere Grüne nicht auf eine striktere Anwendung des Regelwerks, sondern auf mehr Flexibilität bei dessen Anwendung hingearbeitet haben. An Flexibilität mangelt es dem Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung jedoch beileibe nicht. Am Ende ist es erfreulicherweise auch ohne die Grünen gelungen, eine strenge Schuldentragfähigkeitsanalyse, klare Schuldenabbaupfade und verbindliche Reformprozesse zu vereinbaren. Genau diese Elemente fanden sich am Ende auch im Ergebnis der interinstitutionellen Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten wieder.

Das Kernziel der EU-Haushaltsregeln bleibt erhalten: nämlich Schuldenstände und Defizite schrittweise, auf realistische, nachhaltige und wachstumsfreundliche Weise zu senken und damit das Fundamt für Finanzstabilität und Wirtschaftswachstum in der Eurozone zu legen. Um weniger prozyklisch zu wirken, basiert das neue Regelwerk auf mittelfristigen Plänen, die individuell zwischen Kommission und Mitgliedstaaten vereinbart werden und einen klaren Schuldenabbaupfad auf Basis quantitativer Zielvorgaben vorsehen. So müssen Mitgliedstaaten mit mehr als 60% Staatsverschuldung ihren Schuldenstand jährlich um mindestens 0,5 Prozentpunkte reduzieren, Staaten mit mehr als 90% Staatsverschuldung sogar um einen Prozentpunkt. Überwacht wird das neue Regelwerk auf Basis von Kontrollkonten, mit deren Hilfe sich Abweichungen vom vereinbarten Abbaupfad leichter erfassen lassen. Auch finanzielle Sanktionen für Schuldensündern sind weiterhin vorgesehen.

Das neue Regelwerk adressiert viele der Defizite des alten Paktes: es konzentriert sich auf einige wenige Stellgrößen, die von politischen Entscheidungsträgern auch tatsächlich beeinflusst werden können, ist weniger kurzfristig angelegt, berücksichtigt nationale Sondersituationen und kann besser überwacht werden. All das sind signifikante Verbesserungen gegenüber dem Status Quo. Die entscheidende Frage ist und bleibt aber die Umsetzung, die beim letzten Mal nicht richtig funktioniert hat. Die Europäische Kommission hat hier einen gewissen Vertrauensvorschuss bekommen, den sie nun auch rechtfertigen muss. Am Ende gilt: das neue Regelwerk steht und fällt mit seiner Umsetzung und der Europäischen Kommission kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Verantwortung zu.


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