Monika Hohlmeier, Oberfranken und Unterfranken • Ausgabe Nummer 106 - März 2020


EU-Haushaltskontrolleure beschützen Geld der Steuerzahler

Vom 26. bis 28. Februar unternahmen sechs Mitglieder des Haushaltskontrollausschusses eine sogenannte Fact-finding Mission (Dienstreise) nach Tschechien. Diese wurde notwendig aufgrund eines in Tschechien durchgesickerten Auditberichts der Europäischen Kommission, in dem ein System von Interessenskonflikten beschrieben wird, das im Besonderen das Unternehmen des tschechischen Premiers und früheren Finanzministers Andrei Babis begünstigen soll. Der Premier soll entgegen der europäischen Haushaltsordnung nach wie vor wirtschaftlich Endbegünstigter des Konglomerats und Großunternehmens Agrofert und seiner vielen Tochterunternehmen sein. Gemäß der Europäischen Haushaltsordnung (Artikel 61) darf niemand, der an der Verwaltung europäischer Subventionsgelder, deren Vorbereitung oder deren Prüfung und Kontrolle beteiligt ist, gleichzeitig Empfänger dieser Gelder sein.

Ziel der Mission war es, Erkenntnisse über die rechtliche Struktur und mögliche systemische oder punktuelle Schwächen in der Verwaltung oder bei der Verteilung und Prüfung von EU-Geldern durch tschechische Behörden zu gewinnen. Zudem wollten die Abgeordneten sich ein Bild über die konkrete Funktionsweise der Behörden und die Implementierung von EU-Recht im Bereich der Geldwäsche und des Haushaltsrechts machen. Die Gespräche mit investigativen Journalisten, Vertretern der Zivilgesellschaft (u.a. einer Nichtregierungsorganisation, die sich dem Kampf gegen Korruption gewidmet hat und Transparency International) sowie der Organisation der kleinen und mittelständischen Bauern, Mitgliedern der tschechischen obersten Prüfbehörde und Vertretern der zuständigen Ministerien hätten nicht spannender sein können.

Die wichtigsten Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Es gibt in Tschechien keine klare Behördenstruktur zur Identifizierung von Interessenskonflikten. Investigativjournalisten gelang es in den Besitz von Originaldokumenten zu kommen, die beweisen, dass Premier Babis weiterhin die Interessen seines Konzerns unter Missbrauch staatlicher Strukturen aktiv betreiben und direkt in die Geschäfte von Agrofert involviert sein soll.
  2. Die Umsetzung der 5. Geldwäscherichtlinie ist in Tschechien noch nicht erfolgt. Einige andere Länder haben die Richtlinie auch noch nicht umgesetzt In Deutschland ist die Umsetzung seit dem 1. Januar 2020 in Kraft getreten.
  3. Die oberste Gerichtsbarkeit scheint noch unabhängig zu arbeiten. Der Präsident der Tschechischen Republik Milos Zeman (Sozialdemokraten) sowie regierungsnahe Parlamentarier versuchten das Gesetz gegen Interessenkonflikte zu Fall zu bringen. Der Oberste Verfassungsgerichtshof der Tschechischen Republik hat verdeutlicht, dass ein derartiges Gesetz verfassungsgemäß und erforderlich ist, um zu verhindern, dass Missbrauch politischer Macht in der Regierung möglich ist. Es ist schon befremdlich, dass ein Präsident derartige Klagen anstrengt.
  4. Die Aufsichtsstrukturen sind sehr diversifiziert, so dass keine Behörde oder Instanz die volle Kontrollmöglichkeit hat. Der tschechische Rechnungshof kann z.B. nicht alle Ebenen bis hin zum Endbegünstigten prüfen, daher ist ein Abgleich von wesentlichen Daten in der finanziellen Verteilung von Geldern nicht möglich. Der Rechnungshof hat sich darüber ausdrücklich beschwert, da er somit nicht den internationalen Standards vollumfänglich nachkommen kann. Auch hier ist man erstaunt, dass Premier Babis den Präsidenten des tschechischen Rechnungshofs öffentlich angreift, weil dieser normale Kompetenzen, wie sie international üblich sind, beansprucht.
  5. Die Freiheit der Presse gerät unter Druck, da ein Drittel der Medien durch Unternehmen des Premiers aufgekauft wurden und investigative Recherchen in diesen Medien verniedlicht oder sogar diskreditiert werden. Journalisten des öffentlich-rechtlichen Bereichs berichteten, dass ihre Arbeit schwerer werde und die Übernahme von wichtigen Ämtern in der Führungsstruktur des öffentlichen Rundfunks durch Babis nahestehende Persönlichkeiten ein freies Arbeiten zukünftig weiter erschweren werde. Seit dem Aufkauf von Medien durch Andrei Babis haben sich neue Medien gebildet, deren Journalisten sich intensiv mit Korruption, Interessenskonflikten und Missbrauch von politischer Macht auseinandersetzen.

Im Anschluss an die Fact-finding Mission (Dienstreise) des Haushaltskontrollausschusses des Europäischen Parlaments Ende Februar äußerte sich Premier Babis sehr herablassend und provozierend bis hochaggressiv. Seine Wortwahl war schlicht beleidigend und unangebracht gegenüber einer parlamentarischen Delegation und ihren Mitgliedern. Er versuchte damit jede Kritik an staatlichen Strukturen, Gesetzen und an der Verteilung von EU-Geldern durch persönliche Beleidigungen und Verleumdungen zu konterkarieren. In Folge der hetzenden Äußerungen von Andrei Babis mussten meine tschechischen Kollegen, die an der Mission teilgenommen hatten, gemeinsam mit ihren Familien teilweise unter Polizeischutz gestellt werden, weil extremistische Nationalisten und Kommunisten bis heute wilde Morddrohungen ausstoßen.

Ich persönlich habe bereits vor, während und nach der Reise Drohbriefe und Hassposts erhalten. Die Delegation hat deshalb in einem Brief den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Herrn Sassoli, darum gebeten, geeignete Maßnahmen zum Schutz von Mitgliedern des Europäischen Parlaments auf Dienstreisen zu ergreifen. Diese Auffassung wurde von den Fraktionsvorsitzenden des Europäischen Parlaments parteiübergreifend geteilt und die diesbezüglichen Ausfälle von Premier Babis verurteilt. Präsident Sassoli will sich mit dem Präsidenten des Rats Charles Michel und mit der Kommissionspräsidentin diesbezüglich auseinandersetzen.

Ich kann mich nicht erinnern, dass ein Premier eines EU-Mitgliedsstaats jemals in vergleichbarer Form zu derart groben Methoden der Einschüchterung von Abgeordneten gegriffen hätte. Das ist schon singulär und erinnert eher an ein autokratisches Verständnis von Regierungsführung. Wir Haushaltskontrolleure lassen uns aber nicht aufhalten. Wir werden unsere Arbeit fortsetzen, alle Informationen an die Kommission weitergeben und verlangen, dass missbräuchlich verwendete EU-Gelder von den Unternehmen zurückverlangt, und keine weiteren Gelder an Unternehmen ausgezahlt werden, deren wirtschaftlich Begünstigte in einem Interessenkonflikt stehen. Wir werden sachlich, fakten-orientiert und unaufgeregt weiterarbeiten. Wir wollen das hart verdiente Geld unserer Steuerzahler schützen und dafür zu sorgen, dass EU Subventionen der breiten Mehrheit der Bevölkerung zugute kommen - und nicht vor allem einigen wenigen.


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