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Monika Hohlmeier, Oberfranken und Unterfranken • Ausgabe Nummer 131 - Juli 2022 EU-Haushaltskontrolleure in Italien: veruntreute Gelder und die MafiaEnde Mai ist eine sechs-köpfige Delegation des EU-Haushaltskontrollausschusses unter meinem Vorsitz nach Italien gereist, um die Verwendung von Geldern aus dem Corona-Fonds (im Fachjargon Aufbau- und Resilienzfazilität genannt) zu überprüfen. Die Mission war organisiert geworden, da uns Berichte über die Einflussnahme der Mafia auf italienischen Behörden, die die Gelder verwalten, erreicht hatten. Aus dem Fonds erhält Italien die gewaltige Summe von 191,5 Milliarden Euro, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu bekämpfen. Das Risiko, dass Teile dieser EU-Gelder in Italien veruntreut werden, ist aufgrund der komplizierten Verwaltungsstrukturen und dem Einfallsreichtum und Skrupellosigkeit der organisierten Verbrecherbanden, die sich hinter dem Titel Mafia verbergen, leider zu erwarten. Ziel der Mission war es Erkenntnisse über die Systeme zur Bekämpfung von Finanz- und Wirtschaftskriminalität, die die Umsetzung des italienischen Aufbau- und Resilienzplans sicherstellen sollen, zu bekommen. Darüber hinaus diente die Mission dazu, die alltäglich praktizierten Vorgehensweisen der Mafia bei der Erschleichung von EU-Agrargeldern besser zu verstehen. Während des dreitägigen Besuchs konnten die Europaabgeordneten mehrere spannende Gespräche mit Vertretern der zuständigen Ministerien sowie Polizeibehörden (reguläre Polizeibehörde, Carabinieri und Guardia di Finanza) führen, die für die Verhinderung und Bekämpfung von Betrug und den Kampf gegen die Mafia zuständig sind. Die Methoden der italienischen Behörden zur Bekämpfung der kriminellen Machenschaften haben sich eindeutig verbessert: die Schaffung eines Verbundsystems für die Betrugsbekämpfung sowie die Interoperabilität der öffentlichen Datenbanken (die Fähigkeit Daten aus unterschiedlichen IT-Systemen zu aggregieren, zu analysieren und mit künstlicher Intelligenz zu untersuchen). Das Verbundsystem ermöglicht die enge Zusammenarbeit bisher getrennt operierender unterschiedlicher Verwaltungs- und Polizeibehörden und erlaubt so ein schnelleres und konzentriertes Handeln über Behördengrenzen hinweg. Mit Hilfe der Interoperabilität von Datenbanken können die Behörden gesammelte Daten problemlos abgleichen und so präventiv handeln, um möglichen Betrug oder eine Unterwanderung durch die Mafia frühzeitig zu erkennen. Ganz konkret bedeutet das, dass die Behörden die Möglichkeit haben zu überprüfen, ob eine Person oder ein Unternehmen, das eine Zusage für ein Projekt erhalten hat, im Zusammenhang mit Finanzkriminalität vorbestraft ist, auf sogenannten Mafia-Listen steht oder in Zusammenhang mit organisiertem Verbrechen auffällig geworden ist. In diesem Fall ist die Auszahlung von EU-Mitteln präventiv ausgeschlossen. Große Verwunderung kamen bei den Delegationsmitgliedern bezüglich eines Energieeffizienz-Programms, das zum italienischen Coronaplan gehören soll, auf. Die Finanzierungart und -höhe klingt eher abenteuerlich und lädt aufgrund der übermäßigen Förderung, bei der der Antragsteller de facto keine Kosten selbst bestreiten muss, zum reinen Mitnahmeeffekt ein. Das Programm "Ecobonus 110%", eine Anreizmaßnahme, die darauf abzielt Isolierungsmaßnahmen und Renovierungen für mehr Energieeffizienz zu unterstützen, sollte die Möglichkeit schaffen zum Nulltarif sanieren zu können, indem bis zu 110% der Kosten von der Einkommenssteuererklärung abgezogen werden - das nennt man kreative Haushaltsführung! Als Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses sehe ich hier eine ineffiziente und ungerechte Verausgabung von EU-Mitteln, zumal in Nettozahlerländern wie Deutschland die Zuschüsse nicht einmal bei 50% liegen. Nach dem auch der italienischen Regierung klargeworden ist, wie teuer so ein Programm ist, wurde die Erstattung auf 65% verringert. Dennoch wird der Haushaltskontrollausschuss diesem Programm im Laufe der nächsten Haushaltsentlastung sorgfältig nachgehen. Gegenstand der Mission war auch die Überprüfung von Systemen zur Betrugsbekämpfung bei Landwirtschaftsgeldern. Die Mafia betreibt in Italien eine riesige Schattenwirtschaft im Agrar- und- Lebensmittelsektor mit einem geschätzten Wert von mehr als 5 Milliarden Euro. Mit der Ausweitung der europäischen Agrarfonds sind diese für die Mafia noch attraktiver geworden. Beispielhaft dafür ist der Fall der sogenannten "Nebrodi-Mafia", dessen Schaden für den europäischen Haushalt auf mindestens 10 Millionen Euro geschätzt wird. Hier hatten sich zwei Mafia-Clans aus dem sizilianischen Dorf Nebrodi verbündet, um durch Erpressung und Einschüchterungen Land zu rauben, für das sie dann EU-Subventionen erhielten. Im Jahr 2020 konnte in diesem Zusammenhang dank der Zusammenarbeit der Polizeibehörden 94 Mafiosi festgenommen und 151 landwirtschaftliche Betriebe beschlagnahmt werden. Die "Nebrodi-Mafia" ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Die Unterwanderung durch die Mafia bei Agrargeldern ist in Italien alltäglich. Auch hier hat sich gezeigt, dass die Zusammenarbeit der ermittelnden Behörden, die Verknüpfung von Datenbanken und umfängliche Mafia-Listen die rechtzeitige Bekämpfung dieses Phänomens ermöglichen. Denn die Mafia agiert im Agrarsektor auf verschiedenste Weise: von Landraub, Geldwäsche, der Kontrolle von Lieferketten bis hin zur Praxis des sogenannten "Caporalato". Hierbei handelt es sich um eine illegale Form der Anstellung von Arbeitskräften durch Vermittler der Mafia (sogenannte Caporali), die im Namen des Landwirts und gegen Bestechungsgeld Tagesarbeiter unter entwürdigenden Arbeits- und Lebensbedingungen anstellen. Kurz ausgedrückt: Sklavenarbeit existiert in der EU noch. Bei den Treffen mit der Polizei wurde klar, dass diese Praxis von der organisierten Kriminalität gezielt genutzt wird, um aus dem Elend von Flüchtlingen grausam Profit zu schlagen. Die Empfänger von europäischen Agrargeldern, d.h. die Landwirte beschäftigen vor allem nichtregistrierte Flüchtlinge, oft aufgrund des brutalen Drucks durch die Mafiaorganisationen, teilweise aber auch weil sie dadurch finanziell profitieren. Landwirte, die sich weigern riskieren ihr Leben. Die malochenden Flüchtlinge bekommen für ihre körperlich aufzehrende Arbeit einen Hungerlohn und müssen in regelrechten Sklavendörfern leben. Wie uns während der Mission anschaulich erklärt wurde, arbeiten die Polizeibehörden mit innovativen Methoden, wie dem Einsatz von Satellitenaufnahmen, um solche Sklavendörfer in Süditalien zu finden und aufzulösen. Die Mission hat uns wieder klar verdeutlicht, dass umfängliche Kontrollen und digitale Lösungen unumgänglich sind, um die Verausgabung von Geldern aus dem Corona-Fonds präzise nachverfolgen zu können. Um gegen alle Arten von Wirtschafts- und Finanzkriminalität vorzugehen und das tief verwurzelte Phänomen der Mafia zu bekämpfen, braucht es aber weitere Anstrengungen. Die Abgeordneten des EU-Haushaltskontrollausschuss und ich werden weiterhin ein wachsames Auge auf die Situation vor Ort werfen, denn für uns ist klar: Gelder aus dem EU-Haushalt werden wir nicht der organisierten Kriminalität überlassen. |
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